Normalbauweise Tunnel

Die RhB als Vorreiterin

Mehr als die Hälfte der 115 Tunnel auf dem Streckennetz der RhB müssen aufgrund ihres Alters erneuert werden. Die RhB entwickelte dafür ein neues, standardisiertes Instandsetzungsverfahren: die «Normalbauweise Tunnel». Diese garantiert geregelte Bauabläufe, tiefere Kosten als bei bisherigen Verfahren und ermöglicht die Erneuerung bei laufendem Betrieb.

Die meisten Tunnel der RhB wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet. Damit diese Tunnel weiterhin den Anforderungen des modernen Eisenbahnbetriebs gerecht werden, muss die RhB in den kommenden Jahrzehnten rund die Hälfte der gesamten Tunnelstrecke erneuern. Dank der neu entwickelten Normalbauweise werden die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Tunnelsanierungen verbessert, der Sicherheitsstandard erhöht und die Lebensdauer der Tunnel von heute durchschnittlich 30 bis 50 Jahre auf 70 bis 100 Jahre angehoben.

Bei dem neuen Bauverfahren werden die Wände der Tunnel komplett ersetzt und nicht mehr wie bisher «nur» wiederhergestellt. Dazu werden das Gleis abgesenkt, der Tunnelquerschnitt vergrössert, eine neue Entwässerung erstellt, Betonfertigelemente als Wände eingesetzt und die Portale neu erstellt. Die Erneuerung der Tunnel kann so bei laufendem Betrieb erfolgen.

 

Alter und neuer Tunnelquerschnitt mit Fester Fahrbahn und Capricorn-Triebzug.

Erste Anwendungen erfolgreich umgesetzt

Zum ersten Mal zum Einsatz kam die «Normalbauweise Tunnel» bei der Erneuerung des rund 108 Jahre alten und 334 Meter langen Glatscherastunnel unterhalb von Bergün. Dabei wurde das Gleis um 52 cm abgesenkt. Anschliessend erfolgten die Vergrösserung des Tunnelquerschnitts mittels Sprengvortrieb und der Einbau der Betonfertigelemente ab Güterwagen. Die RhB nahm mit diesem Projekt eine Vorreiterrolle ein und hat das Interesse anderer Bahnunternehmen geweckt. Mit derselben Baumethode wurden anschliessend der Sasslatschtunnel (Susch – Lavin) und der Mistailtunnel (Solis – Tiefencastel) erneuert.

Mittels Sprengvortrieb wurde der Glatscherastunnel vergrössert und das Ausbruchmaterial Richtung Bergün abtransportiert.

Die Betonfertigelemente wurden auf Güterzügen angeliefert.

Ein extra für die Normalbauweise entwickeltes Versetzgerät platzierte die Betonelemente im Glatscherastunnel.

Weiterentwicklungen

Der Bergünersteintunnel erhielt als erster Tunnel eine Feste Fahrbahn: Die Gleise werden nicht mehr auf Schwellen montiert und in Schotter verlegt. Zur Anwendung gelangt eine Konstruktion aus einer Betonplatte mit vormontierten Stützpunkten zur Fixation der Gleise.
Die Rhätische Bahn hat gemeinsam mit Fachplanern diese Variante für den Touatunnel (Muot – Preda) und den Brailtunnel II (Cinuos-chel-Brail – Carolina) weiterentwickelt und so standardisiert, dass der Gleisumbau jeweils in einer wenige Tage andauernden Totalsperre erfolgt. Nebst der Steigerung der Produktivität kann damit auch sichergestellt werden, dass bei der Durchfahrt durch die Baustelle keine Langsamfahrstelle eingerichtet werden muss und damit die Fahrplanstabilität nicht beeinträchtigt wird.
Für die Streckenabschnitte mit einer Steigung über 50 0/00 musste für eine zweckmässige Baustellenversorgung auf den Einbau von Fertigtübbingen verzichtet werden. Die betroffenen Tunnel werden klassisch mit einer Innenschale aus Spritzbeton versehen. Erstmals angewendet wurde dieses Bauverfahren am Val Varunatunnel I (Cavaglia – Cadera) am Bernina.

Blick aus dem Bergünersteintunnel mit Fester Fahrbahn.

Im Tunnelinneren des Bergünersteintunnels

Ausblick

Die Rhätische Bahn wird die «Normalbauweise Tunnel» weiterhin den aktuellen Baumaterialien und Baumethoden nach Bedarf anpassen. Die nun gewonnenen Erfahrungen und die Flexibilität ermöglichen es, künftig auf den Linien Albula, Engadin, Arosa und Bernina an mehreren Objekten gleichzeitig tätig zu sein.