Hinter den Kulissen

Lokführerin der nächsten Generation

Zweimal im Jahr beginnen bei der Rhätischen Bahn neue Lokführer-Ausbildungsklassen. Die Quereinsteigerin Anna ist seit Februar 2023 Lokführerin in Ausbildung und gewährt uns einen Einblick hinter die Kulissen.

Sandra Mayerhofer, Unternehmenskommunikation, 12. Juli 2023

1 Wie sieht dein Tagesablauf in der Ausbildung aus?

Unsere Ausbildungstage sind sehr unterschiedlich. Ganz zu Beginn hatten wir Schultage, an denen wir Theorie lernten: Vorschriften, Bremssysteme, Fahrzeugkenntnisse, aber auch Erste Hilfe und Stressmanagement. Von Anfang an gab es aber auch Arbeitstage, an denen wir draussen auf dem Streckennetz unterwegs waren. Diese Kombination ist sehr abwechslungsreich.

Derzeit befinde ich mich in der Meldephase. Ich mache die Zuginbetriebnahme vor der Abfahrt, wie beispielsweise eine Bremsprobe. Während der Fahrt begleite ich verschiedene Lokführer/innen und ich melde alles, was ich bemerke. Signale, Geschwindigkeiten, Weichen, Gefälle und Steigung – alle Situationen rund um die Fahrt. Hier muss ich besonders aufmerksam sein. Heute begleite ich den Lehrlokführer Patrick auf der Strecke Chur nach Thusis.

Inbetriebnahme des Zugs

2 Das hört sich spannend an. Wie geht es weiter? Wann darfst du selbst einen Zug fahren?

Ab August folgt die Fahrpraxis. Ich komme in die nächste Phase der Ausbildung und werde unter Aufsicht fahren. Ich selbst nehme Platz im Führerstand und ein/e Lehrlokführer/in ist an meiner Seite während der Fahrt. Zu Beginn werden wir auf die neuen Fahrzeuge, die Capricorn-Triebzüge, geschult. Ab Herbst folgen dann die weiteren Züge und Loks. Die Lokführer-Ausbildung dauert etwa 13 Monate. Nachdem ich die Abschlussprüfung gemeistert habe, bin ich eine ausgebildete Lokführerin der Kategorie B.

3 Wie sind deine Arbeitszeiten als Lokführerin?

Bereits jetzt in der Ausbildung sind wir im Schichtdienst unterwegs. Das ist auch später so, wenn wir fertig ausgebildete Lokführer/innen sind. Wir haben keinen 9-5 Job. Wir haben unregelmässige Arbeitszeiten, auch am Wochenende oder nachts. Ein früher Dienst kann beispielsweise morgens um 4 Uhr beginnen. Dann gibt es aber auch Spätdienste, bei welchen wir am Nachmittag beginnen und erst in den Nachtstunden mit dem Dienst fertig werden.

Auch am Wochenende müssen die Züge fahren, um unsere Kundinnen und Kunden sicher und pünktlich von A nach B zu bringen. Das heisst aber nicht, dass ich jedes Wochenende arbeiten muss. In der Dienstplanung wird bestmöglich darauf geachtet, dass man regelmässig ganze Wochenenden oder einzelne Tage am Wochenende arbeitsfrei hat. Ich sehe den Vorteil so: Ich habe dann frei, wenn viele andere Leute arbeiten müssen, das ist für viele meiner Hobbies ideal.

Beim Wechsel des Führerstands

4 Was gefällt dir an der Arbeit als Lokführerin?

Jeder Tag als Lokführerin ist eine neue Herausforderung. Ich finde, unser Arbeitsplatz ist der schönste Fensterplatz in der Region. Die Arbeit ist anspruchsvoll, man muss vieles bedenken, Regeln einhalten und man hat viel Verantwortung bei der Arbeit im Führerstand. Aber dafür darf ich die schönsten Aussichten geniessen.

5 Wie hast du den Wechsel von der Schulbank auf den Zug erlebt?

Das erste Mal im Führerstand Platz zu nehmen, war ein besonderer Moment. Bereits zu Ausbildungsbeginn waren wir früh auf dem Streckennetz unterwegs. Hier konnten wir von Beginn an die Theorie mit der Praxis verknüpfen, das hat mir das Lernen erleichtert. Die Abwechslung zwischen den theorielastigen Schultagen und Praxistagen war ideal und sehr lehrreich.

6 Wie bist du zur Lokführerausbildung bei der RhB gekommen?

Der Beruf Lokführerin war schon immer mein Kindheitstraum. Ausschlaggebend war bestimmt mein älterer Bruder Daniel, der bereits Lokführer bei der RhB ist. Seine Arbeit hat mich fasziniert. Ich habe mich schon immer im Führerstand gesehen und daher war für mich klar: Ich will Lokführerin bei der RhB werden. Für diesen Job bin ich nach Graubünden umgesiedelt und habe mein ganzes Umfeld auf den Kopf gestellt. Für diese Entscheidung brauchte ich Mut, aber das hat sich definitiv gelohnt. Zuvor habe ich eine Ausbildung zur Tiefbauzeichnerin in Bern absolviert.

Anna und ihr Ausbildner Patrick in Thusis

7 Was würdest du neuen Bewerberinnen als Tipp mitgeben?

Das Mindset muss stimmen. Diese Ausbildung wird zum neuen Mittelpunkt und diese Zeit ist sehr anspruchsvoll. Man muss flexibel sein – passiert etwas Unvorhergesehenes, so kann es sein, dass die Arbeit mal etwas länger dauert und man nicht pünktlich aufhören kann. Man muss auf alles gefasst sein.

8 Noch eine Frage zur Bewerbungsphase: Wie war das für dich?

Die Bewerbungsphase hatte einige Schritte. Es war gut organisiert, es gab einige Termine, wie beispielsweise einen Test, ein Vorstellungsgespräch sowie eine medizinische Untersuchung. Dazu kam noch ein psychologischer Test: Dass dieser Test so anstrengend wird, damit habe ich echt nicht gerechnet. Hierbei sollte man sich selbst treu bleiben und sich nicht verstellen.

 

9 Wie ist euer Team?

Seit Februar sind wir gemeinsam acht Lokführer/innen in Ausbildung. Wir sind ein motiviertes Team und haben einen guten Austausch und Zusammenhalt. Wir sind viele Quereinsteiger/innen aus unterschiedlichen Berufen und Regionen. Früher musste man, um die Lokführerausbildung machen zu können, einen technischen Beruf erlernt haben. Das ist zum Glück heute nicht mehr so und es sind Menschen mit Ausbildungen aus allen Branchen willkommen.

 

Ganz vorne unterwegs: im Führerstand der RhB-Züge

Gut zu wissen:

Die nächsten Ausbildungsklassen für Region Nord (Landquart) und Region Süd (Samedan) starten am 1. August 2024. Bewerben Sie sich als Quereinsteiger für die Ausbildung zum/r Lokführer/in. Alle Informationen unter: Lokführer/in - Rhätische Bahn RhB

2 Kommentare

didier COHENDET 30.07.2023

Magnifique reportage;je souhaite que du bonheur a ces personnes;bon courage

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Christian Drack 26.07.2023

Sehr schöner und eindrücklicher Bericht über den Werdegang zur Lokführerin! Da bekommt man gleich Lust, selbst noch einmal die Schulbank zu drücken ;-) ich wünsche Anna gutes Gelingen!! Chregel us em Aargau

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