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25 Capricorn-Formationen oder 100 Wagen hat er im Rücken, 1,91 Kilometer lang ist «sein» Zug. Doch er ist nicht allein auf der Strecke, denn er wird von sechs weiteren erfahrenen Kollegen bei diesem Abenteuer unterstützt. Wir haben ihn zum Weltrekordversuch befragt:

1 Indiskrete Frage – wovon träumen Sie momentan?

(Weil es mich wundernimmt, ob so ein grosser Anlass wie der Weltrekordversuch Sie auch im Schlaf beschäftigt.)
Keine Sorge. Ich schlafe gut und ruhig. Aber natürlich träume ich von einem wunderbaren Herbsttag, mit viel Sonne und einer grandiosen Stimmung entlang der Strecke.

2 Was sind denn die grössten Herausforderungen?

Primär ist es eine logistische Meisterleistung, wie wir die 25 Capricorn-Formationen – à vier Wagen – in den Albulatunnel hochbefördern, wo wir den Rekordzug in der Nacht auf den 29. Oktober 2022 zusammensetzen werden. Das bedarf intensiver Planung. Und für den Tag selbst wird die Kommunikation unter uns sieben Lokführern matchentscheidend sein.

3 Wie bereitet man sich mental auf eine solche Arbeit vor?

Alle von uns kennen die Albulastrecke hervorragend, jeden Gefällsbruch, jede Neigung. Natürlich gehen wir den Ablauf immer und immer wieder durch – auch an separaten Briefings, die wir regelmässig durchführen. Aber viel mehr kann man nicht machen.

4 Was reizt Sie denn an diesem Happening?

So richtig kribbelig macht einem eigentlich die Frage: «Klappt’s denn wirklich?» – das Zusammenhängen der 25 Kompositionen, meine ich. Wir konnten nicht allzu viel im Vorfeld testen, trotz zwei Testfahrten im April und Mai.

5 Apropos Tests. Was haben Ihnen diese gebracht? Oder anders gefragt: Was haben Sie dabei gelernt?

Viel, sehr viel sogar. Der erste Versuch ging quasi komplett «in die Hose». Sprich: Wir fuhren keinen Meter, weil von einem der bedienten Führerstände keine Schnellbremsung ausgelöst werden konnte. Als Ursache stellte sich ein technisches Problem der Schnellbremsschleife heraus – die Sicherheitsvorkehrung, mittels dessen jeder von uns sieben Lokführern jederzeit eine Schnellbremsung auslösen kann und den kompletten Zug zum sofortigen Stillstand bringt. Und damit war aus Sicherheitsgründen nicht ans Fahren zu denken. Zudem haben wir bemerkt, dass wir uns nicht per Funk oder Handy in den Tunnels unter den Lokführern austauschen konnten, weil das Netz fehlt. So kamen wir dann auch auf die Idee des Feldtelefons von der Schweizer Armee. Über diese Leitung können wir uns alle stets hören. Ich gebe die Kommandos, die anderen Kollegen hören mich und könnten theoretisch zurückfragen. Denn darin wird die grosse Kunst liegen: Wir müssen zu 100% synchron agieren, zu jeder Sekunde. Jeder muss mit seinem Fahr- und Bremshebel im Führerstand das Tempo und die anderen Systeme unter Kontrolle haben.

6 Wie sind Sie überhaupt zu dieser Aufgabe gekommen? Mussten Sie sich bewerben?

Nein, bewerben musste ich mich nicht. Alle Involvierten arbeiten in der gleichen Abteilung und sind Inbetriebsetzung-Lokführer. Irgendwie war für den technischen Projektleiter seitens RhB – Peter Klima – klar, dass ich vorne sitze. Und da bin ich. Ich freue mich riesig.

7 Wieso sind keine Frauen im Weltrekord-Team mit dabei?

Das ist purer Zufall – unsere Kollegin, die in unserem Team ist, hatte zu dieser Zeit schon Ferien gebucht und ist leider weg.

8 Stichwort Sicherheit: Diese ist oberstes Gebot. Was sind die grössten Risiken, die es im Auge zu behalten gilt?

Ehrlich gesagt sind die Risiken überschaubar. Wir wollen auf jeden Fall verhindern, dass es durch ungeplante Fahrmanöver zu Beschädigungen an den mechanischen Kupplungen kommt, die jeweils die 4er-Pakete von Capricorn-Zügen verbinden. Die Naturgefahren wie Windsturm mit umfallenden Bäumen etc. können wir nicht kontrollieren.

9 Aber bei Schnee könnten Sie fahren?

Absolut, das steht uns nichts im Wege. Wir hoffen einfach auf strahlendes Bündner Herbstwetter.

10 Wieso fährt man nur mit 30 km/h? Geht’s nicht schneller?

Schneller ginge schon. Aber wir fahren bewusst nicht mehr als 30-35 km/h. Dies, weil wir nicht mehr Strom als 30 Prozent elektrische Bremsleistung ins Netz zurückspeisen wollen. Denn jeder Zug, der talwärts fährt, produziert viel Strom. In unserem Fall ganz viel Strom. Und den müssen wir zügeln, sonst würde uns buchstäblich die Sicherung oder die Fahrleitung durchbrennen.

11 Schätzfrage zum Schluss: Wie hoch sind die Chancen, dass der Weltrekordversuch gelingt?

99 Prozent.

12 Und was ist mit dem 1 Prozent?

Das ist das sogenannte Restrisiko. Mit dem können wir leben.

Andreas Kramer (46) wohnt in Buchen im Prättigau, ist von Haus aus gelernter Mechaniker und seit 2010 bei der Rhätischen Bahn. Er transportiert normalerweise weder Güter noch Fahrgäste, sondern führt nur mehr Testfahrten bei der RhB durch. Seit 2020 ist er Inbetriebsetzungslokführer und Prüfungsexperte – eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die viel Erfahrung und Können voraussetzt. In dieser Rolle macht er nicht nur Testfahrten mit neuen Zügen, sondern ist auch bei Inbetriebsetzungen von frisch revidierten und umgebauten Fahrzeugen tätig, die aus der Werkstatt kommen. Andreas Kramer ist aktuell auch in die grösste Beschaffungswelle der Rhätischen Bahn involviert. Er prüft mit Kolleginnen und Kollegen 56 neue Zugformationen des Typs «Capricorn» auf Herz und Nieren.  Und wenn er mal nicht arbeitet, ist Andreas Kramer vor allem mit seiner Familie unterwegs, beim Wandern oder Biken. Oder Nichtstun.

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