Eine jüngere Schwester für die Hinterrheinbrücke
09/28/2015
Der Projektwettbewerb der Rhätischen Bahn (RhB) für die Projektierung einer zweiten Eisenbahnbrücke über den Hinterrhein bei Reichenau ist entschieden. Aus den 42 eingereichten Beiträgen ging das Projekt «Sora giuvna» (Rätoromanisch für «jüngere Schwester») der Ingenieurgemeinschaft Flint & Neill Ltd, London / Walt Galmarini AG, Zürich als Sieger hervor. Alle eingereichten Projekte sind noch bis am 9. Oktober 2015 in einer Ausstellung an der HTW Chur zu besichtigen.
Im Hinblick auf das zukünftige Angebotskonzept hat die RhB eine Verlängerung der Doppelspur in Reichenau und damit eine neue Linienführung über den Hinterrhein projektiert. Die Doppelspur trägt zudem zur Fahrplanstabilität in der Surselva und am Albula bei und ermöglicht zusammen mit anderen baulichen Massnahmen sowie der Verpendelung mittelfristig eine Steigerung der Produktivität. Für den Bau der zusätzlichen Brücke hat die RhB einen Projektwettbewerb lanciert. Das Siegerprojekt besticht durch ein optimales Zusammenspiel von Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und gestalterischen Anforderungen.
Herausfordernde Ausganglage
Hauptbestandteil des Wettbewerbs, welcher im anonymen, einstufigen und offenen Verfahren durchgeführt wurde, war der Neubau der Hinterrheinbrücke. Zusätzlich waren eine zweite Überführung über die Nationalstrasse A13 und der Ersatz der bestehenden A13-Überführung zu projektieren. Da die Linienführung zwischen den neuen Brücken und dem Bahnhof Reichenau-Tamins neu angelegt und gestreckt wird, mussten zudem die entsprechenden Anpassungen wie Abtragungen, Dammschüttungen sowie der Bau von neuen Stützbauwerken im Wettbewerbsbeitrag aufgezeigt werden. Christian Florin, Leiter Infrastruktur bei der RhB und Präsident der Wettbewerbsjury, bezeichnete die Aufgabe denn auch als ungewöhnlich: «Es galt, eine wertvolle eiserne Eisenbahnbrücke aus dem 19. Jahrhundert mit einer neuen Brücke in unmittelbarer Nähe zu ergänzen, erschwert durch die Sachzwänge der Querung der Nationalstrasse».
Siegerprojekt schafft Ordnung
Begeistert vom Siegerprojekt «Sora giuvna» der Ingenieurgemeinschaft Flint & Neill Ltd, London/Walt Galmarini AG, Zürich zeigte sich Jürg Conzett, ausgewiesener Brückenbauspezialist und Mitglied der Wettbewerbsjury: «Dieses Projekt besticht durch seine hervorragende Konzeption. Am Schluss der Bauarbeiten in Reichenau werden nur zwei Brücken stehen: die heutige und ihre «jüngere Schwester», die den Rhein einspurig und die A13 doppelspurig überquert». Die neue Brücke schaffe Ordnung, indem sie die Vielfalt der Brückenlandschaft reduziere, so Conzett weiter. Zudem lasse sie durch die eigenständige, von der bestehenden Brücke leicht abgesetzte Konstruktion einen möglichst freien Blick auf die heutige Brücke offen. Die weiteren Jurymitglieder neben Florin und Conzett waren Karl Baumann, Leiter Kunstbauten RhB, Johannes Florin, Denkmalpflege Graubünden, und Quintus Miller, Architekt Basel.
Alle bewerteten Projekteingaben können in den Räumlichkeiten der HTW Chur (Pulvermühlestrasse 57) besichtigt werden. Die Ausstellung dauert vom Dienstag, 29. September bis Freitag, 9. Oktober 2015 und kann von Montag bis Freitag zwischen 8.00 Uhr und 19.00 Uhr besichtigt werden.
Auszug aus dem technischen Bericht der Projektverfasser «Sora giuvna» |
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Zurückhaltend und doch sehr eigenständig tritt die neue Brücke in einen subtilen Dialog mit der historischen Stahlfachwerkbrücke. Elegant und schlicht vereint sie alle Voraussetzungen, um den technischen Anforderungen und dem landschaftlichen Umfeld aus verschiedensten Perspektiven gerecht zu werden. «Sora giuvna» besteht aus einem schlanken Stahltrog mit V-förmigen Streben, die auf schlichten Betonpfeiler lagern. «Sora giuvna» ist mit dem Anspruch auf geringe Bau- und Unterhaltskosten entwickelt und auf die wesentlichen Randbedingungen wie Machbarkeit, Dauerhaftigkeit und Unterhaltsfreundlichkeit ausgerichtet. Alle Details sind auf diese Vorgaben hin konzipiert. Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und gestalterische Anforderungen finden ihren Ausdruck in der schlichten Eleganz der Brücke. In ihrer Materialität orientiert sich «Sora giuvna» an der historischen Stahlfachwerkbrücke. Stahl war typisch für die meisten der damaligen Eisenbahnbrücken und kommt entsprechend noch häufig in der Region vor. Demgegenüber dominiert Beton bei den neueren Strassenbrücken. Die naheliegende Verwendung von Stahl für die neue Hinterrheinbrücke ist nicht nur wirtschaftlich, sondern widerspiegelt daher auch Ausdruck und Charakter der örtlichen Bahninfrastruktur. |