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Von Rauch und Rädern: Dampfloklegende Heidi

Die Rhätische Bahn beeindruckt nicht nur mit 384 Kilometern Streckennetz durch die Alpen, dem UNESCO Welterbe RhB und ingenieurstechnischen Meisterwerken wie Viadukte. Auch das historische Rollmaterial ist geschichtsträchtig und macht die RhB einzigartig.

Onlineredaktion Rhätische Bahn AG, 19. Februar 2025

Die eiserne Heidi

Ein Exemplar mit einer ganz besonderen Vergangenheit ist die Dampflok G 3/4 11 von 1902, genannt Heidi. Ihr blickte der Alpöhi im Heidi-Film von 1952 nach, denn mit dieser Lok reiste seine Enkelin ab nach Frankfurt. Der Überlieferung nach schrieb ihr nach ihrer Rückkehr vom Filmdreh in das Depot in Landquart ein Mitarbeiter mit Kreide «Heidi» auf die Rauchkammer – und der Name blieb. Was dagegen nicht lange blieb, waren dampfbetriebene Loks in Graubünden. «Heidi wurde 1903 für die Tallinien der Albulabahn und der Strecke nach Ilanz in Betrieb gesetzt, sie war die Nummer 11 der ersten Bauart Dampfloks, die die Rhätische Bahn in ihren Anfängen erwarb.

Denn obwohl die Bündner Bahnstrecken teils um einiges jünger waren als andere, stellte man hierzulande viel früher auf Elektrizität um, weil Strom das Befahren der Bergstrecken einfacher machte. Während beispielsweise die Gotthardstrecke knapp 40 Jahre lang dampfbetrieben wurde, war auf der Albulastrecke schon nach weniger als 20 Jahren wieder Schluss mit Dampf», weiss Marcel Fischer zu erzählen. Er ist seit 1999 Lokführer bei der RhB und fungiert gleichzeitig als Obmann der Dampflok-Mannschaft der Rhätischen Bahn.

«Zwei Jahrzehnte nach ihrer Anschaffung wurden Heidis «Schwestern» in die ganze Welt verkauft und landeten unter anderem in Luxemburg, Brasilien oder Spanien, wo sie teilweise noch bis in die 1970er Jahre gefahren wurden», so Fischer. «Die Lok Nummer 1 der RhB von 1889, die Schwesterlok RHÆTIA, ist die einzig andere Dampflok der gleichen Bau-Serie, die noch in Graubünden ist. Sie befindet sich derzeit in Revision und sollte 2026 wieder einsatzbereit sein. Aber das ist eine andere Geschichte.»

Möchten Sie hautnah ein Stück Bahngeschichte erleben und mit «Heidi»  fahren? Unsere Dampffahrten bieten Ihnen eine Zeitreise in die Vergangenheit.

Heidis zweites Leben

Lok Nummer 11, Heidi, fristete nach der Elektrifizierung ein Leben als Dampfreserve und wurde sporadisch im Rangier- und Baudienst eingesetzt. 1977 war auch für sie Schluss: Die RhB musterte sie endgültig aus und verkaufte sie an einen Modelleisenbahn-Verein im Berner Oberland. Nach ein paar Jahren als Touristen-Attraktion war ihr Dampfkessel in einem so schlechten Zustand, dass sie 1990 für «nicht betriebsfähig» erklärt wurde. Die Zeit der ehrwürdigen Lok schien endgültig beendet, da erschien die Rettung in Gestalt des Club 1889, der sich für den Erhalt historischer Fahrzeuge der RhB einsetzt. Er kaufte die Heidi im Jahr 2000 und brachte sie zurück in ihre ehemalige Heimat Graubünden. Allen voran setzte sich der bewährte und versierte RhB-Fahrzeug-Restaurierer Armin Brüngger aus Samedan für die Lok ein.

«Wir konnten die Lok damals für gerade einmal 15'000 Franken erwerben – allerdings war sie nicht fahrtüchtig und es musste praktisch alles erneuert werden», erzählt Fischer, Vizepräsident und Obmann Lokunterhalt des Club 1889. «In Heidis Renovierung stecken insgesamt 11'600 Arbeitsstunden. Diese wurden von den Clubmitgliedern in Fronarbeit geleistet. Darum dauerten die Revisionsarbeiten auch zehn Jahre.» Im Zuge der Erneuerung konnten aber auch ein paar durchgreifende Verbesserungen gemacht werden: «Früher wurden Dampfloks hauptsächlich mit Kohle befeuert, so auch die Heidi Der Funkenwurf ist aber in der heutigen Zeit recht gefährlich. Damals gab es an jedem Bahnhof einen Vorsteher, der untern anderem auch die Böschungen mähte – das Heu war begehrt für das Kleinvieh.

 

Kosten «Heidi»

- Erste Anschaffung 1903: Fr 48'500.-

- Rückkauf durch Club 1889 im Jahr 2000: Fr 15'000.-

- Kosten Revison: Fr 1.1 Mio

- Wert heute: unbezahlbar

 

Heute gibt es keine Bahnhofsvorsteher mehr, die Böschungen werden aus Effizienzgründen maschinell gemäht und das Mähgut wird liegengelassen, was die teils eh schon beträchtliche Flurbrandgefahr erhöht. Bei der RhB muss bei kohlebetriebenen Dampffahrten immer ein Löschzug mitfahren – das ist nicht nur ein grosser logistischer Aufwand, sondern verteuert auch die Fahrten. Da die Heidi sowieso einen komplett neuen Dampfkessel benötigte, wurde sie im Zuge der Revision auf Ölfeuerung umgebaut. Brände sind so kein Thema mehr – und so ist sie erst noch umweltfreundlicher als eine Diesellok.» Was durch die neue Ölfeuerung ebenfalls optimiert wurde: die Vorbereitungszeit. «Bei Kohle-Dampfloks müssen die Heizer bereits zehn Stunden vor Fahrtantritt mit dem Anheizen beginnen», erzählt Marcel Fischer.

«So ein Personalaufwand ist heutzutage kaum mehr stemmbar. Die revidierte Heidi verfügt jetzt über eine elektrische Vorheizanlage, die dazu noch ohne Aufsicht betrieben werden kann – sie ist also auch technisch im 21. Jahrhundert angekommen.» Bis auf den Kessel sind aber alle Teile der Heidi noch original, betont Fischer. So trägt die alte Lok wieder ihre Ursprungsfarbe Schwarz und auch die Fabrikschilder und Loknummern aus Messing wurden aufpoliert und wieder montiert.

Druckanzeige der «Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11

zVg durch den Club 1889

Laternen der «Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11

zVg durch den Club 1889

«Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11 fährt auf Schienen

zVg durch den Club 1889

zVg durch den Club 1889

Manuelle Beherrschung der Technik

Was sich auch nicht geändert hat: Das Fahren einer Dampflok ist keine Ein-Mann-Show. Die enge Zusammenarbeit mit dem Heizer ist essenziell, um die Lok effizient und sicher zu betreiben. «Diese Kameradschaft auf einer Dampflok ist etwas Besonderes», sagt Fischer. Während bei einer E-Lok die Energie konstant aus der Oberleitung kommt, muss der Heizer die Feuerung und den Wasserstand ständig überwachen, um den Dampfdruck konstant zu halten, denn ein zu tiefer Wasserstand kann den Kessel gefährden. Der Lokführer wiederum muss mit zweckmässiger Bedienung von Regulator und Steuerung die Geschwindigkeit regulieren– die beiden müssen also eng zusammenarbeiten: «Man ist ständig mit dem Nachlegen von Kohle – bei unserer Lok 11 mit der Regulierung der Ölfeuerung - und der Ergänzung und der Kontrolle des Wasserstandes beschäftigt – das ist echte Handwerkskunst.»

Auch die Streckentopographie müssen beide sehr gut kennen und es gilt, vorausschauend zu fahren: «Die Strecken der RhB führen durch anspruchsvolles Gelände mit engen Kurven und grossen Neigungen. Eine Dampflok beschleunigt aber viel weniger direkt als eine E-Lok. Der Heizer muss wissen, wann die nächste Steigung kommt, damit der Kessel bei Einfahrt in die Steigung Spitzendruck hat. Das erfordert Gespür und Übung.» Die Bedienelemente wie Regulator, Steuerspindel, Luftklappen, Ventile und Manometer sind rein mechanisch, hier ist handwerkliches Können und Wissen gefragt.

Ausserdem müssen bei Dampfloks auch während der Fahrt regelmässig Schmierstellen kontrolliert und nachgeschmiert werden –neben ausreichend Wasser und Heizöl oder Kohle muss also auch immer genug Schmiermittel mit an Bord sein. «Dank der Ölfeuerung müssen in der Heidi zwar keine Kohlen mehr geschaufelt werden, aber in Kesselnähe herrscht eine ziemliche Hitze. Hinten im Führerstand ist dafür Durchzug – kein Vergleich zu den ergonomischen und klimatisierten Führerständen der modernen Loks mit ihren bequemen Sitzen», weiss Fischer zu berichten.

Die «Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11 in der Werkstatt

zVg durch den Club 1889

Die «Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11 stehend auf dem Gleis, während es schneit

zVg durch den Club 1889

Detaillierter Blick auf den Schornstein der «Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11

zVg durch den Club 1889

Die «Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11 stehend auf der Drehscheibe

zVg durch den Club 1889

Die «Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11 stehend in einem Bahnhof

zVg durch den Club 1889

Die «Heidi»-Dampflok G 3/4 Nr. 11 mit historischen Wägen

zVg durch den Club 1889

Botschafterin für Graubünden

Trotz der teils körperlich anspruchsvollen Arbeitsbedingungen ist Lokführer Marcel Fischer Fan des alten Rollmaterials: «Als Lokführer einer Dampflokomotive fühlt man sich, als ob man ein Stück lebendige Eisenbahngeschichte bedient. Jede Fahrt erinnert an die Pionierzeit des Schienenverkehrs, als Technik und Mensch noch die Grenzen des Möglichen ausloteten. Und man erlebt hautnah, wie die Dampflok Jung und Alt begeistert. Die Freude der Fahrgäste an der Heidi und ihrer aussergewöhnlichen Geschichte macht jede Fahrt zu einem besonderen Erlebnis. Die alte Dame ist eine Botschafterin für unseren Kanton – auch wenn sie manchmal eine richtige Diva sein kann, wenn sie nicht so reagiert, wie man es erwartet. (lacht) Aber das Bedienen einer Dampflok wie der Heidi ist kein Job, sondern eine Passion. Als Lokführer trägt man aktiv zum Erhalt eines einmaligen kulturellen Erbes bei, das für viele Generationen Inspiration und Freude bringt. Die Rhätische Bahn mit ihren spektakulären Strecken und dem UNESCO-Weltkulturerbe-Status und einer Lok-Legende wie der Heidi ist dafür der perfekte Rahmen.»

6 Kommentare

Walter Walz 28.02.2025

Was wäre unsere Zeit ohne das leise arbeitende Ehrenamt die eine solche grandiose Leistungen leisten. Ich muss hoch an den tollen Menschen aufschauen die uneigennützig so eine schöne und lebendige Technik liebevoll pflegen. Bin ein großer Fan der RHB war mit meinen kleinen 3 Kinder schon 1990 mit der RHB hunderte km unterwegs. Wünsche viel Erfolg dem ganzen Team der Eisenbahner und Ehrenamtlern der RHB.

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Hans-Jörg Beutel 27.02.2025

Da kommt Freude auf wenn eine Dampflok gerettet wurde und fahren darf - und sogar Brandschutzgerecht ! (Habe gleich die Szene von 1952 im Heidi-Film nochmal angeschaut) Sehr schöner Bericht mit neuen Erkenntnissen für mich. Schade das die Sächsischen und Harzer Dampfeisenbahnen kein Geld für eine solche Umrüstung haben und darum mit der Waldbrandgefahr kämpfen.

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Rolf Zünd 27.02.2025

Wunderschöner Bericht von einer eisernen Heidi. Gratulation Könnte man diesen Bericht auch als gedrucktes Exemplar erhalten, ich möchte diesen meinem Heidi schenken, auch für sie gilt: Wer heute, unbezahlbar! Dankeschön, alles Gute und vill Gfreuts Rolf Zünd

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Reply Heinz Erich Dieterle 27.02.2025

Bitte Anschrift mitteilen, HABE den Bericht ausgedruckt ( Farbe ) für SIE + DIE HEIDI mit Füßen !!!!

Angel Osacar 27.02.2025

Soy un amante del ferrocarriles Suizos y todos los año visito el paso del Bernina. En el proximo viaje visitare la locomotora Heidi. ¿ Teneis alguna persona que hable Español? Angel

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Georg Trüb 19.02.2025

Ein sehr gut geschriebener Bericht, der die schöne Lok und das engagierte Bedienungspersonal angemessen würdigt!

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