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Die vierte Landessprache der Schweiz hat keinen leichten Stand. Zwar geniesst das Romanisch einen hohen Sympathiebonus, gesprochen wird es aber immer weniger. Die Gemeinde Samedan setzt dagegen: mit einem Beauftragten für Zweisprachigkeit.
Obwohl nur 0,6 Prozent der Schweizer Bevölkerung Rätoromanen sind: Ihre Sprache ist beliebt und erobert zunehmend das Unterland. Die grösste rätoromanische Gemeinde lebt in Zürich und pflegt das Romanische als identitätsstiftendes Kulturgut sorgfältig. Aber auch Städter, die kein Wort Romanisch verstehen, nennen ihre Kinder heute Gian, Curdin oder Flurina. Liegt Romanisch im Trend? «Ausserhalb des Oberengadins mag das stimmen. Hier oben hört man es viel zu selten», sagt Andrea Urech. Der pensionierte Sekundarlehrer ist seit 2005 Beauftragter für die Zweisprachigkeit in der Oberengadiner Gemeinde Samedan und kümmert sich als erster und einziger im Kanton offiziell um die Pflege und Förderung des Romanischen.
Einer seiner sichtbarsten Erfolge steht gleich am Bahnhof: der zweisprachige Dorfplan. Baselgia – Kirche ist da zu lesen. Oder Scoula cumünela – Gemeindeschule, Butias – Geschäfte, Tualetta – Toilette, Föcler – Feuerstelle. Noch bis ins 19. Jahrhundert wurde in Samedan fast ausschliesslich Puter, ein rätoromanisches Idiom, gesprochen. Heute sind es gemäss Urech noch deren 17 Prozent. «Trotzdem sprechen rund die Hälfte der Samedner noch regelmässig Puter.» Viel dazu beigetragen habe die Gemeindeschule, in der seit 1996 vom Kindergarten bis zur letzten Klasse zweisprachig unterrichtet wird.
Zusammen mit einem Grüppchen einheimischer Sprachenthusiasten, den Multiplicatuors da Samedan, kreiert Andrea Urech immer wieder neue Ideen, um den Einheimischen den kulturellen Wert ihrer Sprache in Erinnerung zu rufen. So grüsst er grundsätzlich immer auf Puter, entwarf schon Pins mit Aufdrucken «Eau incleg rumauntsch» (ich verstehe Romanisch) und «Eau discuor rumauntsch» (ich spreche Romanisch), Postkarten, Tischsets mit Texten einheimischer Dichter und eine Einkaufstasche mit Ausdrücken in Deutsch, Romanisch und Italienisch. Der neuste Streich: ein Schirm mit Sprichwörtern in Puter. «Damit das Romanische nicht im Regen stehen bleibt», sagt er augenzwinkernd.
Vor 1500 Jahren war Rätoromanisch von der oberen Donau bis zur Adria verbreitet. Heute umfasst das Einzugsgebiet noch den Vorderrhein, Teilgebiete am Hinterrhein, Oberhalbstein und Albulatal sowie Ober-, Unterengadin und Münstertal. Wegen der früheren Abgeschiedenheit vieler bündnerischer Täler und konfessioneller Unterschiede gibt es fünf verschiedene Idiome: Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Puter und Vallader. Die seit 1982 existierende überregional einheitliche Schriftsprache Rumantsch Grischun ist bei den Bündnern umstritten. Auch wenn Kanton und Bund ihre Drucksachen darin verfassen, werden Lehrmittel wieder in den verschiedenen Idiomen herausgegeben. Für Andrea Urech eine unerlässliche Voraussetzung für den Erhalt des Romanischen.
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