Hinter den Kulissen

Ein Nischenberuf

Andreas Kramer durchfährt als Lokführer malerische Landschaften, überquert spektakuläre Viadukte und staunt ob der faszinierenden Aussichten. Er geniesst diese Augenblicke beinahe täglich. Doch von Fahrgästen ist dabei weit und breit keine Spur.

Domenica Herzog, Unternehmenskommunikation, 05. April 2022

Stell dir vor, du bist Lokführer/in bei der Rhätischen Bahn und dein Zug ist leer. Kein/e Zugbegleiter/in, keine Fahrgäste, kein Gepäck, keine Güter. Du machst deine Fahrpläne selbst, wählst deine Strecke eigenständig aus und fährst in den verschiedensten Fahrzeugen auf dem Streckennetz. Noch nie von einem solchen Lokführer/einer solchen Lokführerin gehört? Kein Wunder, denn die Tätigkeit von Andreas Kramer ist ein Nischenberuf.

Das Geheimnis um Andreas Kramers Nischenberuf

Andreas Kramer transportiert weder Güter noch Fahrgäste. Er macht einzig und allein Testfahrten. Inbetriebsetzungslokführer ist sein genauer Berufstitel und setzt langjährige Erfahrung als Lokführer/in voraus. Als Inbetriebsetzungslokführer macht er nicht nur Probefahrten mit neuen Zügen, sondern kontrolliert auch frisch revidierte Züge, die aus der Werkstatt kommen. Solche, die zum Beispiel eine Sotwareanpassung erhalten haben und zuerst eine Inbetriebsetzungsfahrt bestehen müssen, bevor sie wieder mit Fahrgästen oder Gütern auf das RhB-Streckennetz gelassen werden. Derartige Inbetriebsetzungsfahrten sind ausserordentlich wichtig, um Mängel und Fehler aufzudecken, bevor sie auf dem Streckennetz für Störungen sorgen könnten.

Typischer Arbeitstag

Um auf dem RhB-Streckennetz fahren zu dürfen, müssen neue Züge mehrere Kontrollen bestehen. Dabei unterscheidet man zwischen statischen und dynamischen Kontrollen. Bei einer statischen Prüfung wird ein Zug im stehenden Zustand sorgfältig kontrolliert. Haben Andreas und sein Team diese Kontrollen erfolgreich abgeschlossen, steht der dynamischen Fahrt nichts mehr im Weg. Bei der dynamischen Kontrolle werden auf dem fahrenden Zug verschiedene Tests durchgeführt und es wird überprüft, ob alles vorschriftsgemäss funktioniert.

Für die dynamische Inbetriebsetzungsfahrt wählt Andreas meistens die Strecke Landquart - Sagliains, weil diese ein Gefälle von 45 Promille aufweist und weil die Strecke durch einen Tunnel, nämlich den Vereinatunnel führt. Auf dem Weg durchs beschauliche Prättigau herrscht jeweils geschäftiges Treiben im Zug. Während Andreas im Führerstand sitzt, den Zug in Richtung Sagliains fährt und dabei den Fahrplan und verschiedene Signale im Auge behält, arbeitet sich sein Team durch das seitenlange Protokoll. So werden unter anderem die Notbremse, der SOS-Schalter, ein Systemwechsel, die reibungslose Öffnung der Türe und deren Ausfahrtritte sowie auch der Schriftzug sorgfältig getestet, geprüft und Fehler akribisch notiert.

Mehrere Stunden später trifft der überprüfte Zug und sein Kontrollteam wieder in Landquart ein. Dann wird das weitere Vorgehen besprochen und allfällige Fehler werden behoben, bis alle mit dem Resultat zufrieden sind. Danach ist der Zug bereit, Pendler, Güter und Gäste aus aller Welt sicher willkommen zu heissen.

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