Hinter den Kulissen

Die Jagd nach dem perfekten Moment: Trainspotting in Graubünden

Züge beobachten? Stundelang am Gleis stehen und warten? Für viele unvorstellbar, für Michi Dux pure Leidenschaft. Eine Reportage über einen jungen Mann, der im Trainspotting seine grosse Leidenschaft gefunden hat.

Onlineredaktion Rhätische Bahn AG, 20. Juni 2025

Züge beobachten? Stundelang am Gleis stehen und warten? Für viele unvorstellbar, für Michi Dux pure Leidenschaft. Der 20-Jährige aus Felsberg steht manchmal freiwillig im Morgengrauen am Bahndamm. Denn Michi ist Trainspotter. Für ihn gibt es kaum etwas Schöneres, als einen Zug im perfekten Moment abzulichten: zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, bei genau dem richtigen Licht.

Was bringt jemanden dazu, stundenlang auf einen vorbeifahrenden Zug zu warten und dabei völlig zufrieden zu wirken? Wer Michi kennenlernt, versteht es schnell: Für ihn ist Trainspotting mehr als ein Hobby. Es ist eine Passion, ein Moment voller Konzentration, Ruhe und Begeisterung. Angefangen hat alles vor rund fünf Jahren, noch während der Schulzeit. Seither lässt ihn das Trainspotting nicht mehr los: «Ich bin schon von klein auf ein Zug-Fan. Ich liebe die Technik, die Bewegung, die Geräusche – einfach alles an Zügen», sagt er.

Michi steht kurz vor dem Abschluss seiner Lehre als Sanitärinstallateur EFZ. In seiner Freizeit zieht es ihn raus an die Bahngleise, mit dem Handy und einem kleinen Stativ im Gepäck. Was zählt, ist der richtige Augenblick: Wenn ein Zug in die Landschaft eingebettet, im perfekten Licht vorbeizieht. Das Zusammenspiel aus Technik, Umgebung und Stimmung fasziniert ihn.

Bild von Andri Flury

Bild von Andri Flury

Frühling in Bonaduz

An einem Frühlingsnachmittag begleiten wir Michi nach Bonaduz. Die Wiesen leuchten frischgrün, erste Blumen blühen, am Himmel nur ein paar Schönwetterwolken. Hinter uns die teils noch schneebedeckten Berge, vor uns das Netz der Rhätischen Bahn.

Eine Szenerie, wie sie Michi besonders schätzt: «Es geht mir um das Zusammenspiel von Zug, Licht und Landschaft. Dann ist das einfach ein besonderer Moment.» Er stellt sein Stativ auf, prüft den Fahrplan und wartet. Ob historisch oder modern spielt keine Rolle – entscheidend ist das Bild. Wenn ein rot lackierter Zug durch eine sattgrüne Wiese rollt oder ein Güterzug im Sonnenlicht vorbeizieht, dann stimmt alles.

Bild von Andri Flury

Bild von Andri Flury

Wenn Güterzüge für Spannung sorgen

Für eine besondere Sichtung nimmt Michi auch längere Wege in Kauf. Etwa nach Altdorf im Kanton Uri: «Dort ist ein Güterzug-Hotspot. Man weiss nie, welche Lok kommt oder wie lang der Zug ist – das hat seinen Reiz», erklärt er.

Dank GA reist er bequem durchs ganze Land, um seltene oder interessante Kompositionen zu erwischen. Sein Lieblingsort zum Spotten ist jedoch die Albulastrecke. Nicht wegen der Züge allein, sondern wegen der Kulisse: Die Kombination aus Ingenieurskunst und alpiner Landschaft macht sie für ihn einzigartig.

 

Ein Hobby, das verbindet

Trainspotting ist ruhig, aber nicht einsam. Michi hat die WhatsApp-Gruppe «Swiss Alpine Historic Trainspotters» mitgegründet. Fünfzehn Gleichgesinnte aller Altersgruppen tauschen sich über Sichtungen aus und geben sich Tipps zu Standorten. «Wir verabreden uns manchmal spontan. Jeder bringt seine eigene Perspektive mit, das macht es spannend», sagt er. Wichtig ist der gegenseitige Respekt: Wer zuerst vor Ort ist, darf ungestört fotografieren. «Man fragt einfach kurz, ob man im Bild steht. Das gehört zum guten Ton», so Michi.

Auf Instagram zeigt er seine Aufnahmen und holt sich Inspiration. Andere Spotter sind auch auf Facebook aktiv, aber er persönlich nicht. Die Ausrüstung? Zweckmässig. Ein Handy, ein kleines Stativ und manchmal eine Leuchtweste, damit ihn die Lokführer frühzeitig erkennen. Was wirklich zählt, ist das Auge fürs Motiv, Geduld und Erfahrung: Standortwahl, Licht, Timing. Für ein gutes Bild nimmt Michi auch Umwege oder kleinere Wanderungen gern in Kauf.

Bild von Andri Flury

Bild von Andri Flury

Mehr als nur Loks und Wagen

Was Michi wirklich fesselt, ist nicht die Technik allein. Klar, er erkennt Baureihen am Klang und interessiert sich für Funktionsweisen. Aber entscheidend ist das Drumherum. Der Moment, in dem alles zusammenkommt: Landschaft, Licht, Winkel. Das sind seltene Augenblicke. «Oft wartet man eine Stunde, und dann passt es doch nicht», sagt er.

Doch wenn es klappt, bleibt das Bild im Kopf. Nicht, weil es spektakulär ist, sondern weil es Stimmung hat. Das kann mitten im Engadin sein oder an einem unscheinbaren Bahndamm bei Bonaduz. Wer Geduld mitbringt und den Moment spürt, wird belohnt – mit Bildern, die mehr erzählen als nur von Zügen.

2 Kommentare

Monika Cathomas 21.06.2025

Ich kann die faszination nachvollziehen. Verbringe schliesslich meine Freizeit auch lieber am Streckennetz der RhB, anstelle in einem shopingcenter oder anderen Freizeitbeschäftigungen wo für Frauen eher üblich wären, mit meiner Digitalkamera bewaffnet. Für mich sind diese stunden entspannend,mal seinen altagsgedanken, problemen entfliehen zu können und dabei wird man mit den perfekten Bild, oder auch nicht belohnt. Der artikel ist meiner meinung nach treffend geschrieben

Antworten
Tobias Giger 20.06.2025

Was für ein coolen Blog. Michi ist mein bester kolleg und wahr mega erfreut über diesen Event. Ich finde es mega toll das dieses Hobby so gezeigt wird mit den tollen erlebnisen die man dabei erlebt, super das man das gemacht hat.

Antworten

Was ist Ihre Meinung?

Fehler