Kurz erklärt

Biodiversität bei der RhB

Die RhB engagiert sich umfassend für Nachhaltigkeit durch Massnahmen in Klimaschutz, Energieeffizienz, Ressourcenschonung und Biodiversität. Mit Simeon Eichelmann, Spezialist für Nachhaltigkeit, tauchen wir tiefer in zugehörige Themenbereiche ein.

Onlineredaktion Rhätische Bahn AG, 30. Oktober 2024

Simeon, zum Anfang eine grundlegende Frage: Was macht die RhB im Nachhaltigkeitsbereich ganz allgemein? 

Mit der Strategie 2030 hat sich die RhB dazu verpflichtet, Nachhaltigkeit zu fördern und einen positiven Beitrag für die Gesellschaft und Umwelt zu leisten. Wir sind ein öffentliches Unternehmen und nehmen eine Vorbildrolle im Kanton Graubünden ein. Die RhB ist das Herzstück des gesamten öffentlichen Verkehrs in Graubünden, und deswegen haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitenden, unseren Kundinnen und Kunden, der Gesellschaft – und eben auch der Umwelt.

Die RhB fördert klimafreundliche Mobilität, den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und nachhaltiges Wirtschaften. Aber auch das Soziale gehört zur Nachhaltigkeit dazu. Gegen aussen sind das beispielsweise die Massnahmen zur Barrierefreiheit, die wir im Rahmen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) umsetzen. Gegen innen schaffen wir verbesserte Arbeitsbedingungen, wir sind um die Arbeitssicherheit besorgt und wir treiben die Vielfalt und Chancengleichheit innerhalb der RhB voran.  

Um all diese Ziele zu erreichen, leisten viele Fachbereiche einen grossartigen Beitrag in den unterschiedlichen Feldern der Nachhaltigkeit. 

Simeon Eichelmann, Spezialist Nachhaltigkeit bei der RhB

Welches sind die unterschiedlichen Felder der Nachhaltigkeit?  

Da wäre zum einen das Thema Energie. Hier verfolgen wir eine umfassende Energiestrategie, um die Energieeffizienz zu erhöhen. 100% unseres Bahn- und Gebäudestroms beziehen wir aus Wasserkraft. Auch die Eigenproduktion von Solarenergie wird konsequent ausgebaut. 

Weiter erstellen wir ein Abfallkonzept, um Abfall zu reduzieren, Müll besser zu trennen und zu rezyklieren.  

Und besonders engagiert sind wir im Bereich der Biodiversität. 

 

Stichwort Biodiversität: Welche spezifischen Massnahmen setzt die RhB um, um die Natur entlang ihrer Bahnstrecken zu schützen und zu fördern? 

Ein Beispiel ist der Vogelschutz: Um grosse Vögel wie Eulen und Greifvögel vor dem Stromtod zu bewahren, führen wir jedes Jahr Schutzmassnahmen durch. Vor allem im Engadin, denn dort lebt eine grosse Uhu-Population und der Uhu ist gefährdet (Gefährdungsstatus (IUCN): Global: LC = nicht gefährdet, Schweiz: VU = verletzlich). Wenn grosse Vögel mit ihren Flügeln an die Stromleitungen kommen, können sie einen Kurzschluss auslösen. Um das zu verhindern, bringen unsere Mitarbeitenden vor Ort zusätzliche Isolationen an den Fahrleitungen an. 

Für gefährdete Pflanzen, die auf unseren Bahnböschungen wachsen, ergreifen wir ebenfalls besondere Massnahmen. Zum Beispiel passen wir Häufigkeit und Zeitpunkt des Mähens an, damit gefährdete Arten überleben können.  

Auch Massnahmen zum Lärmschutz und gegen die Lichtverschmutzung werden durch die Umweltspezialistin der Infrastruktur koordiniert. 

Ausserdem sind wir ständig bestrebt, die Bahntrassen durchgängiger für Tiere zu machen. Hier wird grundsätzlich unterschieden zwischen der Durchlässigkeit für Kleintiere wie Amphibien und Reptilien – also Tiere, die Mühe haben die Gleise zu überqueren – und Wildtieren. Die Vermeidung von Wildunfällen ist ein wichtiger Aspekt unserer Biodiversitätsbestrebung.

(Foto: David Jenny und Werner Fischer)

Die Abdeckungen und Isolationen verhindern, dass grosse Vögel die Fahrleitungen berühren. (Foto: David Jenny)

Warum sind Wildunfälle so ein grosses Thema und was tut die RhB, um diese zu vermeiden? 

Wildunfälle verursachen einerseits tierisches Leid und andererseits beeinträchtigen sie die Fahrplanstabilität. Aufgrund ihrer Körpermasse können Wildtiere wie Hirsch und Reh grosse Schäden an den Zügen anrichten, was wiederum zu Verspätungen führt. Wir sind also bestrebt, Kollisionen von vornherein zu vermeiden, damit keine Tiere leiden müssen und wir möglichst keine Schäden am Rollmaterial haben. 

Das Streckennetz der RhB quert insgesamt 17 Wildtierkorridore. An diesen Stellen ist der Durchgang für das Wild teilweise stark durch den Strassen- und Schienenverkehr eingeschränkt. Die Gleise sind grundsätzlich nicht eingezäunt und somit an den meisten Stellen für das Wild überquerbar. Im Churer Rheintal beispielsweise ist die Strecke neben der Autobahn und den Gleisen abgezäunt. Hier schafft eine Wildtierbrücke des Bundesamts für Strassen ASTRA Abhilfe. Die Brücke ermöglicht es den Tieren, Autobahn und Gleise zu überqueren.  
 


Warum braucht es Wildtierbrücken und was genau bewirken sie? 

Wildtierbrücken sind insofern ein extrem wichtiger Schutz für die Biodiversität, da sie die Isolation der Wildtierpopulationen verhindern. Sie ermöglichen den Wildtieren, sich frei in ihrem natürlichen Raum zu bewegen – vor allem für das Rotwild sind die Wanderungen enorm wichtig – und wirken somit der genetischen Verarmung entgegen.  

An prädestinierten Strecken für Wildtierüberquerungen, an denen wir keine Wildtierbrücken bauen können, setzen wir Wildtierwarnanlagen ein. Diese warnen die Tiere im Gleisbereich durch Geräusche und Blitzlichter vor dem herannahenden Zug und verscheuchen sie. 

Wildtierbrücke Churer Rheintal

Wie genau funktionieren die Wildwarnanlagen? Welche Technologien kommen dabei zum Einsatz? 

Ausgelöst werden die Wildwarnanlagen durch Licht und die Fahrzeuggeräusche. Sie geben einen Pfeifton ab und helle LED-Blitze warnen das Wild zusätzlich. Ausserdem senden sie im Umkreis von ca. 100 m ein Datensignal an die benachbarten Warner, die dann ebenfalls einen Alarm auslösen. Das erhöht die Vorwarnzeit für das Wild. Dabei ist der Pfeifton variabel, damit beim Wild kein Gewöhnungseffekt entsteht. 



Welche Auswirkungen haben klimatische Veränderungen auf die Notwendigkeit und Effektivität von Wildwarnanlagen? Oder generell das Wetter? Gibt es hierzu Erkenntnisse? 

Das Wetter hat auf jeden Fall einen Einfluss, im Winter gibt es mehr Konflikte. Das Wild kann auf den geräumten Bahngleisen besser laufen als im Tiefschnee, also bewegen sich die Tiere besonders gerne auf den Gleisanlagen fort. Das erhöht natürlich die Wahrscheinlichkeit für Wildunfälle. Vor allem, weil sich die Züge im Schnee sehr leise, aber trotzdem schnell fortbewegen. 

Allerdings variiert die Anzahl der Wildunfälle je nachdem, wie schneereich der Winter ist: Hat es viel Schnee, bewegen sich die Tiere in tiefere Lagen. Hat es nicht so viel Schnee, bleiben sie in der Höhe und folglich kommt es auch zu weniger Unfällen. Weitere Aussagen können wir aber noch nicht machen, dazu sind die vorhandenen Datenreihen noch zu kurz. 



Inwieweit beeinflussen Wildwarnanlagen das Verhalten der lokalen Wildtiere? Konnten Veränderungen beobachtet werden? 

Es ist durchaus möglich, dass sich die Wildtiere durch die Wildwarnanlagen gestört fühlen und dann einfach an anderer Stelle die Gleise überqueren. Dann funktioniert die Warnung natürlich nicht mehr so gut, was für uns bedeuten würde, dass wir die Warnsysteme entsprechend anpassen bzw. erweitern müssten. 
Allerdings haben wir diese Beobachtung bis jetzt nicht gemacht, im Gegenteil: Seit wir die Wildwarnanlagen installiert haben, ist die Anzahl der Wildunfälle  zurückgegangen. Die Tiere scheinen zu lernen, bestimmte Stellen zu meiden – und das ist ja gut für alle.  

 

Woher bekommt die RhB diese Informationen, wie messt ihr den Erfolg der Wildwarnanlagen? 

Wir stehen ständig im Austausch mit den lokalen Wildhütern, sie eruieren für uns den Effekt der Wildwarnanlagen. 

Die Strecke Ftan Baraigla – Scuol-Tarasp beispielsweise wurde in Zusammenarbeit mit dem Amt für Jagd und Fischerei und den örtlichen Wildhütern als Teststrecke mit einer Wildwarnanlage ausgerüstet. Das Ergebnis spricht für sich: Die Wildunfälle konnten um schätzungsweise 50% reduziert werden. Daraufhin haben wir weitere Warnanlagen in Ardez und zwischen Bever und La Punt installieren lassen und auch hier scheint sich ein Erfolg abzuzeichnen.  

 

Sind in der nahen Zukunft weitere Projekte oder Erweiterungen der bestehenden Wildwarnanlagen geplant? 

In einem nächsten Schritt prüfen wir in Absprache mit dem Amt für Jagd und Fischerei, ob zusätzliche Wildtierwarnanlagen angeschafft werden und bei weiteren bekannten Konfliktstellen zum Einsatz kommen sollen.

Ganz am Schluss noch eine Frage zu deiner Funktion: Was genau ist deine Aufgabe als «Spezialist Nachhaltigkeit»? 

Meine Aufgabe ist es, alle Informationen und Daten aus den unterschiedlichen Fachbereichen zusammenzutragen und in einen Bericht zu bringen, den Nachhaltigkeitsbericht. Dazu gibt es nationale Regulatorik sowie internationale Standards, an die wir uns halten müssen. Dieser Nachhaltigkeitsbericht, den ich erstelle, wird dann im Geschäftsbericht publiziert.

3 Kommentare

Bernhard Edelmann 03.12.2024

Sowohl der RHB, den zuständigen Stellen und Herrn Simeon Eichelmann, gebührt ein voller Respekt. Der Aufwand, der hier betrieben wird, ist sehr groß, aber der Erfolg kann sich sehen lassen. Man kann sich nur wünschen, dass sich viele Institutionen hier anschließen. Der RHB und Herrn Eichelmann kann man nur die Kraft und Ausdauer wünschen, hier so weiter zu machen. In Deutschland unterstütze ich schon seit vielen Jahren den BUND -Bund für Umwelt und Naturschutz und freue mich über jeden Erfolgsbericht. Hier ist in Straßen und Bahn noch viel zu tun. Ich gehe davon aus, dass die DB, u.a. und die RHB als Nachbarn in Verbindung sind und Erfahrungen austauschen. Danke auch für Ihre guten Berichte und schönen Fotos, vor allem von dem Uhu auf dem Leitungsmast. In meinem Geburtsort am Fuße der schwäbischen Alb ist der Uhu schon seit ca.100 Jahren ausgestorben. Ich freue mich über jeden RHB Bericht und die Anrede "Allegra lieber Herr Edelmann"

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Bernhard Edelmann 03.12.2024

Sowohl der RHB, den zuständigen Stellen und Herrn Simeon Eichelmann, gebührt ein voller Respekt. Der Aufwand, der hier betrieben wird, ist sehr groß, aber der Erfolg kann sich sehen lassen. Man kann sich nur wünschen, dass sich viele Institutionen hier anschließen. Der RHB und Herrn Eichelmann kann man nur die Kraft und Ausdauer wünschen, hier so weiter zu machen. In Deutschland unterstütze ich schon seit vielen Jahren den BUND -Bund für Umwelt und Naturschutz und freue mich über jeden Erfolgsbericht. Hier ist in Straßen und Bahn noch viel zu tun. Ich gehe davon aus, dass die DB, u.a. und die RHB als Nachbarn in Verbindung sind und Erfahrungen austauschen. Danke auch für Ihre guten Berichte und schönen Fotos, vor allem von dem Uhu auf dem Leitungsmast. In meinem Geburtsort am Fuße der schwäbischen Alb ist der Uhu schon seit ca.100 Jahren ausgestorben. Ich freue mich über jeden RHB Bericht und die Anrede "Allegra lieber Herr Edelmann"

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Klaus Hartmann 27.11.2024

Hallo, ich finde das Thema sehr interessant und informativ. Es ist schön zu sehen wie sich die RhB um ihre Umwelt kümmert.

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